Ältester Zigarren-Fabrikant wird 90

Heinrich Villiger blickt zurück

 

Zu seinem 90. Geburtstag blickt Heinrich Villiger, der älteste noch operativ tätige Zigarrenunternehmer der Welt, zurück auf sein Leben, dass er dem Familienunternehmen Villiger gewidmet hat.

 

Mein Name ist Heinrich Villiger, und ich wurde am 30. Mai 1930 in Menziken, Kanton Aargau, geboren. Weltpolitisch hat Menziken keine Bedeutung, war jedoch damals das Zentrum der Schweizerischen Stumpen-Industrie.

Die Schweizerische Cigarrenindustrie hatte ihre Glanzzeiten im vorletzten Jahrhundert, als im ganzen Stumpenland Schweiz dutzende von Herstellern mit Tausenden von Arbeitskräften Stumpen vorwiegend auch zum Export in die USA für die beiden befeindeten Armeen im Sezessionskrieg hergestellt wurden. Wie diese Stumpen nach Amerika verschifft wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Mein Eintritt ins Unternehmen Villiger, gegründet 1888 von meinem Grossvater, erfolgte im Jahre 1950, im Alter von 20 Jahren, nach meiner Ausbildung an der Ecole Supérieure de Commerce in der französischen Schweiz in Neuchâtel mit Abschluss der Matura. Ich hätte gerne weiter studiert, aber als ältestes Kind der Familie wollte mich mein Vater möglichst schnell im Unternehmen haben. Die anschliessenden eineinhalb Jahren verbrachte ich zur Weiterbildung im Tabaksektor vorwiegend in den USA und in der Karibik – Kuba, Dominikanische Republik und Puerto Rico. Wir waren damals noch an einer Zigarettenfabrik in der Schweiz beteiligt und ich erhielt in den Südstaaten der USA – damals existierte noch die Rassentrennung in «White» und «Colored» - eine umfassende Ausbildung bis zum staatlich geprüften «Grader» von Flue Cured Tabaken für die Zigarettenproduktion. Anschliessend arbeitete ich als Praktikant in der Cigarren-Rohtabak-Sparte in Connecticut und Massachusetts.

 

 

Eigenentwicklung von «Zigarrenmaschinen»

Zurück in Europa Ende 1951 ging es weiter im eigenen Unternehmen. Die Ausbildung im Rohtabakbereich erfolgte weiter mit Aufenthalten in Brasilien, in der Türkei, in Deutschland beim Tabakeinkauf, in der Pfalz und in den Niederlanden an der damaligen Tabakbörse in Amsterdam. In dieser Zeit erfolgte auch die Umstellung von Handarbeit auf die maschinelle Produktion von Stumpen, Cigarillos und Cigarren, mit der ich intensiv beschäftigt war. Villiger war das zweite Unternehmen, dass für die sogenannte «Wickelherstellung» Zigarettenmaschinen für die Produktion von Zigarren umbaute. Ich erinnere mich auch gut an einen damaligen Besuch eines US-Zigarrenherstellers, der so etwas noch nie gesehen hatte und aus dem Staunen nicht herauskam.

Im Jahre 1954 zog sich der Bruder meines Vaters und Mitinhaber des Unternehmens, Hans Villiger, aus der Firma zurück und verkaufte seine Anteile an unsere Familie, weil er keine Nachkommen hatte. Ich wurde an seiner Stelle in die Geschäftsführung unserer Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland berufen. Die deutsche Tochtergesellschaft wurde übrigens bereits im Jahre 1910 in Tiengen (heute Waldshut-Tiengen) von meiner Grossmutter gegründet und begeht in diesem Jahr das 110-jährige Bestehen. Damit war ich voll in unsere Unternehmen «integriert».

 

Der «verrückte» in der Familie

Nach meiner Heirat im Jahre 1958 verlegte ich meinen Wohnsitz in ein kleines Bauerndorf gegenüber von Waldshut auf der Schweizer Seite des Rheins und arbeite seither als «Grenzgänger» in Tiengen in der Bundesrepublik Deutschland, in der Hauptverwaltung unserer deutschen Unternehmen in Tiengen und Bünde/Westfalen, wo wir ein Werk mit einer Jahreskapazität von rund einer Milliarde Stück Cigarillos haben.

Ein weiterer Markstein in meinem Lebenslauf war das Jahr 1989, als mein Bruder Kaspar, bislang ebenfalls Teilhaber unserer Unternehmen, in die Politik wechselte und seine Anteile an mich verkaufte. Er war viele Jahre Mitglied des schweizerischen Parlaments und 8 Jahre Mitglied der schweizerischen Regierung, zuerst als Verteidigungs- und anschliessend als Finanzminister. Kaspar Villiger, 11 Jahre jünger als ich, befindet sich schon längst im Ruhestand, ist also kein «Verrückter», der bis zum 90. Lebensjahr arbeitet.

 

 

Formel 1 Geschichte

Im Jahre 1977 titelten die Schweizer Zeitungen «Tabak-Villiger schrieb in Österreich F-1 Geschichte mit dem 1. Schweizer-Formel 1 Sieg des Zigarrenherstellers, der als einziger Zigarrenanbieter weltweit jemals im Formel 1 Automobil-Rennsport aktiv mitwirkte.» Der Fahrer war damals Alan Jones, der später Weltmeister wurde. Das war auch einer der Höhepunkte in unserer Firmengeschichte.

In den kommenden Jahren nach 1989 gründete ich verschiedene Unternehmen, teils im Joint-Venture, für den exklusiven Import und Vertrieb von Havanna-Zigarren sowie für «Rohtabak». Und «Last but not least» erfolgte im Jahre 2018 die Eröffnung eines Unternehmens in Brasilien – der VILLIGER DO BRASIL im Gliedstaat Bahia – zur Produktion von handgerollten Brasil-Cigarren.

 

Spezielles Jubiläum in Corona-Zeiten

In diesem Jahr 2020 feiere ich nicht nur meinen 90. Geburtstag, sondern auch mein 70-jähriges Berufsjubiläum im Unternehmen. Die deutsche Villiger Söhne GmbH feiert zugleich ihr 110-jähriges Bestehen. Spezielle Feierlichkeiten finden jedoch nicht statt, weil dies das Corona-Virus verhindert. Feiern kann man bei sich zu Hause oder später. Im Moment halten wir uns penibel genau an die Vorgaben der Regierung, damit wir keine Mitarbeiter oder Familienmitglieder gefährden.

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